Der leise Tod im Wasser
Als ein Kapitän plötzlich voll bekleidet ins Wasser sprang, waren die anderen Badegäste irritiert. „Nicht, dass er denkt, du ertrinkst“, sagte ein Mann zu seiner Frau, nachdem sie sich zuvor im Wasser geneckt hatten. „Was macht der da?“, fragte sie genervt. „Uns geht’s gut!“, rief der Mann dem Kapitän zu. Doch der ließ sich nicht aufhalten, schwamm an ihnen vorbei und rief nur: „Weg da!“. Denn nur wenige Meter hinter dem Paar war ihre neunjährige Tochter dabei zu ertrinken. Der Kapitän erreichte sie in letzter Sekunde. Weinend rief das Mädchen: „Papa!“.
Wie konnte der Kapitän aus der Entfernung erkennen, was selbst die Eltern aus nächster Nähe nicht bemerkten?
Er war ausgebildeter Rettungsschwimmer und wusste, worauf zu achten ist. Denn Ertrinken sieht nicht aus wie im Fernsehen – es gibt kein Geschrei, kein Winken.
Bis das Mädchen „Papa“ rief, hatte sie keinen Laut von sich gegeben. Ertrinken ist meist ein stiller, wortloser Vorgang. Es gibt keine dramatischen Szenen – nur subtile, oft übersehene Anzeichen.
Dr. Francesco A. Pia bezeichnet dieses Verhalten als instinktive Reaktion auf das Ertrinken (Instinctive Drowning Response). Kein Geschrei, kein Gespritze, kein Winken.
Ertrinken ist nach Verkehrsunfällen die zweithäufigste unfallbedingte Todesursache bei Kindern unter 15 Jahren. Viele dieser Unfälle passieren in unmittelbarer Nähe zu den Eltern – oft ohne dass sie es bemerken. Denn Ertrinken sieht nicht aus wie Ertrinken.
Wichtige Anzeichen beim Baden
Dr. Pia beschreibt die instinktive Reaktion auf das Ertrinken wie folgt:
1. Ertrinkende können meist nicht um Hilfe rufen. Die Atmung hat Vorrang vor der Sprachfunktion.
2. Der Mund taucht nur kurz über die Wasseroberfläche auf – zu kurz für einen Hilferuf.
3. Die Arme werden seitlich ausgestreckt und auf die Wasseroberfläche gedrückt, um sich über Wasser zu halten – Winken ist nicht möglich.
4. Bewusste Bewegungen sind nicht mehr steuerbar. Ein gezieltes Rufen oder Winken ist physiologisch nicht möglich.
5. Der Körper bleibt aufrecht im Wasser. Ertrinkende bleiben meist nur 20 bis 60 Sekunden an der Oberfläche, bevor sie untergehen.
Natürlich ist auch eine Person, die laut um Hilfe ruft, in Gefahr. Doch sie kann sich meist noch aktiv an ihrer Rettung beteiligen – etwa durch Greifen nach Rettungsmitteln. Das wird als Wassernotsituation bezeichnet und kann dem eigentlichen Ertrinken vorausgehen – muss es aber nicht.
Weitere Anzeichen für Ertrinken
Achten Sie beim Baden auf folgende Hinweise:
- Kopf tief im Wasser, Mund auf Höhe der Wasseroberfläche
- Kopf nach hinten geneigt, Mund geöffnet
- Glasiger, leerer Blick oder geschlossene Augen
- Haare hängen ins Gesicht
- Keine Beinbewegung – Körper vertikal im Wasser
- Schnappatmung oder beschleunigtes Atmen
- Versuch zu schwimmen, ohne voranzukommen
- Versuch, sich auf den Rücken zu drehen
Wenn also ein Rettungsschwimmer ins Wasser springt, obwohl alles ruhig wirkt – seien Sie aufmerksam. Manchmal ist das deutlichste Zeichen für Ertrinken, dass es eben nicht wie Ertrinken aussieht.
Wie kann man sicher sein? Fragen Sie: „Geht es dir gut?“ Wenn eine Antwort kommt – ist die Lage meist unter Kontrolle. Wenn nicht, zählt jede Sekunde.
Ein Hinweis für Eltern: Kinder, die im Wasser spielen, machen Lärm. Wenn sie plötzlich still sind, kann es bereits zu spät sein.
Ertrinken erkennen – Fragen & Antworten
Ertrinken ist meist ein stiller Vorgang. Typische Anzeichen sind ein leerer Blick, ein nach hinten geneigter Kopf, kaum Bewegung der Beine und das Fehlen von Hilferufen oder Winken. Wer ertrinkt, kann sich oft nicht bemerkbar machen.
Weil die Atmung Vorrang hat. Beim Ertrinken bleibt keine Zeit zum Rufen – der Mund taucht nur kurz über die Wasseroberfläche auf, um Luft zu holen. Sprache ist in dieser Situation physiologisch nicht möglich.
In einer Wassernotsituation kann die betroffene Person noch aktiv um Hilfe rufen oder nach Rettungsmitteln greifen. Beim tatsächlichen Ertrinken ist das nicht mehr möglich – der Körper reagiert instinktiv und unkontrolliert.
Meist nur 20 bis 60 Sekunden. Danach geht die Person unter – oft, ohne dass es jemand bemerkt.
Fragen Sie laut: „Geht es dir gut?“ Wenn die Person antwortet, ist sie wahrscheinlich nicht in akuter Gefahr. Bleibt die Antwort aus oder wirkt der Blick leer, zählt jede Sekunde – handeln Sie sofort.
Kinder, die im Wasser spielen, machen normalerweise Lärm. Wenn es plötzlich still wird, ist das ein Warnsignal. Stille kann ein Zeichen dafür sein, dass ein Kind in Gefahr ist.